Vertrauen ist gut - Kontrolle nicht besser

Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder, COO & Head Coach Life Orientation & Navigation
Ein Wanderer hilft einem anderen, einen Berggipfel zu erreichen, vor dem Hintergrund von schneebedeckten Bergen bei Sonnenuntergang.
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Kinder - ein lebendiges Beispiel

Wenn wir uns mit dem Thema Vertrauen auseinandersetzen, dann lohnt es sich unbedingt, kleine Kinder zu beobachten, denn wo könnte man authentischer erleben, wie Vertrauensaufbau vonstatten geht, als dann, wenn Kinder neuen Menschen begegnen. Häufig verstecken sie sich hinter Mamas oder Papas Bein, halten sich daran fest und schauen nur vorsichtig dahinter hervor – es dauert und sie brauchen ihre Zeit.

Intuitiv lassen wir ihnen diese auch und lächeln nur hin und wieder zu ihnen hin oder wir gehen in die Hocke, um auf Augenhöhe zu sein, aber möglichst mit Distanz, um sie nicht zu verängstigen. Manche Kinder sind auch gleich offener und kommen schneller näher, doch auch sie beäugen Fremde erst einmal genau.

Sie achten auf die Signale, die eine Person bewusst oder unbewusst sendet und prüfen dabei, ob diese ihnen „vertrauenswürdig“ erscheinen.

Natürlich können Erwachsene Kinder bewusst täuschen, aber wir gehen hier einmal davon aus, dass wir es nur gut meinen. Auch dann braucht es jedoch eine ganze Weile, bis die Kleinen Vertrauen fassen. Wir müssen nämlich erst einmal eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Wenn das allerdings gelungen ist, öffnen sich Kinder nahezu rückhaltlos: Sie schauen einem direkt in die Augen, teilen ihre Gedanken, stellen Fragen, wollen mit uns spielen und von uns lernen.

Aber Vorsicht:  

Vertrauen kann schnell wieder zerstört werden. Damit es bestehen bleibt, braucht es vor allem Verlässlichkeit und Berechenbarkeit.

Wenn ich das so lese, finde ich, dass sich das fast wie eine Blaupause für mein eigentliches Thema anhört!

Vertrauen als Basis fruchtbarer Zusammenarbeit

Zu erlernen, wie du Vertrauen am Arbeitsplatz aufbaust, ist entscheidend, wenn du als Mitarbeiter:in, Manager:in oder effektive Führungskraft erfolgreich sein möchtest. Ohne Vertrauen wird es schwieriger sein, mit Kollegen:innen und Vorgesetzten zu kommunizieren und zu kooperieren.

In extremen Fällen kann ein Mangel an Vertrauen auch ein Team oder sogar eine ganze Organisation zum Scheitern bringen.

Konkret, bezogen auf dich selbst, kann es bedeuten, dass Kolleg:innen keine Informationen mit dir austauschen, nur ungern mit dir Projekte angehen oder auch, dass du von Vorgesetzten mehr kontrolliert wirst und bei Beförderungen zugunsten einer vertrauenswürdigeren Person übergangen wirst.  

Und obwohl all das so ist, werden wir kaum darin trainiert, Vertrauen aufzubauen.

Zum Glück scheinen wir das aber meist instinktiv zu wissen - wie das Beispiel im Umgang mit Kindern zeigt - allerdings gibt es auch bewährte und effektive Methoden, die helfen, speziell am Arbeitsplatz Vertrauen aufzubauen. Wir werden uns deshalb im weiteren einen schrittweisen Prozess ansehen, den du dazu nutzen kannst.

Zuerst müssen wir aber Vertrauen definieren und zwischen zwei Arten von Vertrauen unterscheiden.

Was genau ist Vertrauen?

Wenn wir über Vertrauen sprechen, meinen wir ein Gefühl von Sicherheit, das im Umgang mit einer Person herrscht, weil wir spüren, dass sie uns nicht belügen und hintergehen wird. Es basiert darauf, dass wir glauben, vorhersagen zu können, dass sie verlässlich auf bestimmte Weise handeln wird. Dieses Gefühl beruht entweder auf Zusagen und Versprechen, die uns, begleitet von bestimmten körpersprachlichen Ausdrucksformen, ermutigen, einen Vertrauensvorschuss zu geben oder es besteht ein Glaubwürdigkeitsniveau, das sich im Laufe der Zeit durch tatsächliche Erfahrungen mit der Person aufgebaut hat.

Im Arbeitsumfeld unterscheiden wir zwei Arten von Vertrauen

Wenn wir über Vertrauen im beruflichen Kontext sprechen, gibt es zwei unterschiedliche Arten und diese werden auf unterschiedliche Weise aufgebaut. Beide sind wichtig und wirken synergistisch zusammen. Es ist also entscheidend, dass du gleichzeitig beide Arten von Vertrauen entwickelst.

Es handelt sich um das praktische Vertrauen und das emotionales Vertrauen.

  • Praktisches Vertrauen

    Dies ist die üblichere Art von Vertrauen, die uns normalerweise als erstes in den Sinn kommt, wenn wir darüber nachdenken, weshalb man jemandem vertraut.
    • Du verdienst dieses Vertrauen, indem du fleißig bist und Einsatz zeigst.  
    • Du kommst pünktlich.  
    • Du erledigst deine Arbeit (fast) fehlerfrei.
    • Du hältst Fristen ein.

Dieses Vertrauen basiert also auf deinem Ruf, ein Mensch zu sein, der zuverlässig und kompetent ist. Wenn du sagst, dass du etwas tun wirst, dann tust du es auch.

Wenn dieses Vertrauen in dich nicht besteht, wirst du kontrolliert, die Kommunikation kommt ins Stocken und die Produktivität wird abnehmen.

Denke daran: Unabhängig davon, ob du Manager:in auf Top Level oder Mitarbeiter:in auf Einstiegsniveau bist, es ist entscheidend, dass du dieses praktische Vertrauen zu den Menschen um dich herum aufbaust.

  • Emotionales Vertrauen

    Viele Menschen sind sich dieser Art von Vertrauen weniger bewusst. Emotionales Vertrauen entsteht, wenn eine Person über das hinausgeht, was von ihr erwartet werden kann.  
    • Du interessierst dich für andere
    • Du weißt, dass ihr nur gemeinsam erfolgreich sein könnt
    • Du respektiert die anderen in ihrem „Anderssein“ und förderst komplementäre Zusammenarbeit
    • Du teilst Ideen, Gedanken und Gefühle, die womöglich von anderen für sich benutzt werden könnten und fürchtest dich nicht davor, dadurch verletzbar zu sein
    • Du bist diskret und missbrauchst dir anvertraute Inhalte nicht

Diese Art von Vertrauen aufzubauen, ist komplexer und weniger eindeutig messbar.

Es geht dabei mehr um Networking und den längerfristigen Aufbau von bedeutungsvollen Beziehungen.  

Menschen, denen man emotionales Vertrauen entgegenbringt, interessieren sich und kümmern sich um andere. Sie bauen so Bindungen zu ihren Mitmenschen und ihren Teams auf.  

Wenn zu einer Führungskraft emotionales Vertrauen besteht, kann man das daran erkennen, dass in ihrem Team viel gelacht wird, obwohl gleichzeitig ernsthaft gearbeitet wird. Das Zusammensein fühlt sich leicht an.

Tests zeigen übrigens, dass sich ganzheitlich erfolgreiche Führungskräfte meist durch ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz auszeichnen, daher ist das definitiv eine Kompetenz, auf die du Wert legen solltest.

Vertrauenskulturen zeigen Wirkung

Emotionales Vertrauen ist etwas, das sogar auf organisatorischer Ebene aufgebaut werden kann.

Nehmen wir als Beispiel Netflix: Laut einer Befragung von Glassdoor würden 71% der Mitarbeitenden Freund:innen empfehlen, bei Netflix zu arbeiten.

Die Mitarbeitenden arbeiten in einer Umgebung mit hohem Vertrauensvorschuss. Ihnen wird viel Entscheidungsfreiheit und Informationsaustausch ermöglicht und es besteht umgekehrt unternehmensseitig größtmögliche Transparenz zu Projekten und Geschäftszahlen.

Generell konnte bei Befragungen von Millennials festgestellt werden, dass sie eine höhere Bereitschaft haben, für ein Unternehmen mit einer Vertrauens-Kultur zu arbeiten als für eines, bei dem das nicht der Fall ist. (Deloitte, Gen Z and Millennials report 2023)

Damit der Vertrauensvorschuss zu echtem belastbarem Vertrauen wird, braucht es jedoch Zeit: Zeit, während derer sich eine wechselseitige Beziehung durch besseres Kennenlernen aufbauen kann und während derer Beweise für eine bessere Performance und für das Ausbleiben eines Vertrauensmissbrauchs geliefert werden. Erst dann ist die Vertrauenswürdigkeit und damit das selbstverständliche gegenseitige Vertrauen entstanden.

Vertrauenskulturen - Ein Wirtschaftsfaktor

Nicht nur, dass sich Menschen in einer vertrauensvollen Umgebung wohler fühlen, vielmehr entwickeln sich ganze Unternehmen mit einer Vertrauenskultur wirtschaftlich im Hinblick auf übliche Messgrößen mehr als doppelt so gut wie der allgemeine Markt. Zum Beispiel erzielen sie höhere Umsätze, binden gute Mitarbeiter, haben stabile Kundenbeziehungen und bestehen länger am Markt. Schon Mitte der 1990ger Jahre wurde dies durch eine Kienbaum-Studie belegt, bei der 116 Geschäftseinheiten verglichen wurden, darunter 30 Top-Performer, befragt wurden 437 Manager.

Man hat 2 Messgrößen miteinander korreliert:

  1. Selbstaussagen der Manager ja/nein zu kulturellen Statements, wie: „Wir haben eine Gewinnbeteiligung“ oder „Die Mehrheit in Ihrer Firma will sich mit anderen messen und überdurchschnittlich sein“
  2. Messgrößen der betrieblichen Leistungsfähigkeit (Kapitalrendite, Umsatzgewinn, Liquidität, Innovationszeitraum, Innovationsanteil, Innovationsgewinn und Floprate).

Als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren (Platz 2) erwies sich „Vertrauenskultur mit wenig Kontrolle“.  (Rolf Berth, Erfolg, Econ-Verlag)

Um nur vier Gründe dafür zu nennen:  

  1. In einer Atmosphäre des Vertrauens gelingt es, selbst versteckte Potenziale zu entfesseln  
  2. Eine Vertrauenskultur ermöglicht mehr Empowerment der Mitarbeitenden, somit weniger hierarchischen Aufwand und schnellere Entscheidungen
  3. Es kommt zu weniger Fehltagen  
  4. Kunden schätzen die Verlässlichkeit der Produkte und Ehrlichkeit im Umgang mit ihnen.  

Zehn der effektivsten Möglichkeiten, Vertrauen aufzubauen

Nachdem wir jetzt geklärt haben, was Vertrauen genau ist und warum es so wichtig ist, möchte ich noch einmal herausarbeiten, welche konkreten Schritte jede und jeder unternehmen kann, um mehr Vertrauen in das eigene Leben zu bringen und es speziell in der Arbeitsumgebung aufzubauen.  

  1. Baue langfristige Beziehungen auf

    Vertrauen erfordert langfristiges Denken. Es mag manchmal bequem erscheinen, den schwarzen Peter jemand anderem zuzuschieben oder eine Entscheidung zu treffen, die vor allem einem selbst kurzfristig zugutekommt. Bevor wir jedoch so handeln, sollten wir überlegen, wie sich so ein Verhalten auf die Wahrnehmung anderer von uns und unsere Zukunft auswirken könnte.
  2. Sei ehrlich

    Der Ruf, eine unehrliche Person zu sein, wird – wie du dir vorstellen kannst – jegliches Vertrauen zerstören. Sage also immer die Wahrheit, auch wenn es unangenehm ist. Manchmal ist die Wahrheit natürlich auch, dass du momentan zum Beispiel aufgrund einer Verschwiegenheitszusage nichts sagen kannst, aber dann sag einfach das. Versuche immer einen Weg zu finden, auch schwierige Wahrheiten anzusprechen. In seltenen Fällen kann die Wahrheit (die ja oft auch subjektiv ist) sehr verletzend sein, dann kann es besser sein, nichts zu sagen. Das sollte allerdings keine Ausrede sein. Auf keinen Fall aber solltest du lügen, denn das wird irgendwann bemerkt.
  3. Halte deine Versprechen ein

    Eine vertrauenswürdige Person tut alles in ihrer Macht Stehende, um Vereinbarungen einzuhalten, die sie getroffen hat. Wenn du ein Versprechen machst, halte es ein. Vermeide es, Versprechen zu machen, die du vielleicht nicht halten kannst.
  4. Gib zu, wenn du im Unrecht bist oder dich geirrt hast

    Menschen hören nicht gerne Ausreden. Wenn du etwas falsch machst, ist es am besten, offen damit umzugehen. Auch wenn du merkst, dass du in einer Diskussion falsch liegst, steh dazu.
    Die Bereitschaft, Fehler zuzugeben, lässt dich außerdem menschlicher erscheinen und das erhöht dein Vertrauen. Das Eingestehen von Fehlern zeigt übrigens sogar Stärke. Natürlich dürfen sich die gleichen Fehler nicht wiederholen – es muss aus ihnen gelernt werden, sonst würde im Gegenteil Vertrauen verloren gehen.  
    Und bedenke: Nur, wenn du offen mit deinen Fehlern umgehst, können auch gleich andere daraus lernen, was eine Verbesserung für die ganze Organisation bedeutet.
  5. Kommuniziere effektiv

    Vertrauen kann leicht durch Missverständnisse beschädigt werden. Versuche dein Bestes, um auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die keinen Raum für Missverständnisse zulässt.
    Wenn du dir bei etwas während eines Gesprächs nicht sicher bist, stelle Fragen, um Klarheit zu schaffen.
    Zuzuhören ist außerdem für eine effektive Kommunikation genauso wichtig wie zu sprechen. Gib anderen die Möglichkeit, sich auszusprechen, denn so erfährst du, wo ihr einander noch nicht richtig verstanden habt. Und: Wenn du wirklich zuhörst, zeigt das, dass dir dein Gegenüber wichtig ist.
  6. Sei verwundbar

    In Maßen offen im Hinblick auf deine Emotionen zu sein und Gefühle zu zeigen, kann beim Aufbau von Vertrauen helfen. Es zeigt anderen, wer du bist, was dir wichtig ist und dass du auch ein Mensch bist. Auch das wird meist als Stärke und nicht als Schwäche wahrgenommen.

    Natürlich muss dieser Punkt mit Fingerspitzengefühl angegangen werden. Du möchtest ja nicht allen Arbeitskollegen übermäßig viel persönliche Details erzählen – nicht nur, dass das indiskret wirken kann, es kann dein Gegenüber auch überfordern.
  7. Sei hilfsbereit

    Eine Person, die den Ruf hat, vertrauenswürdig zu sein, tut meist auch viel, um anderen zu helfen. Und zwar nicht wegen einer eigenen Agenda oder weil sie erwartet, etwas davon zu haben. Sondern aus echter Hilfsbereitschaft und in dem Wissen, dass es immer einen Ausgleich geben wird, wenn auch vielleicht nicht durch dieselbe Person.
    Stell dir vor, du hast all deine Arbeit für den Tag schon früh erledigt. Du könntest jetzt einfach an deinem Schreibtisch sitzenbleiben und im Internet surfen. Oder du könntest hilfsbereit sein.
  8. Zeige den Menschen, dass dir etwas an ihnen liegt

    Menschen werden dir natürlicherweise mehr vertrauen, wenn sie das Gefühl haben, dass du wirklich an ihnen interessiert bist. Das Erinnern an kleine Details wie den Geburtstag, den Namen des Kindes oder das Fragen nach dem Wochenende sind schon ein guter Anfang.
    Selbst etwas so Einfaches wie das Erinnern und richtige Aussprechen des Namens einer Person kann zeigen, dass dir etwas an ihr liegt. Wie Dale Carnegie einmal sagte: "Der Name einer Person ist für diese Person der süßeste, wichtigste Klang in jeder Sprache."
  9. Stehe für das ein, was richtig ist

    Auch wenn einige Chef:innen vielleicht "Ja-Sager" mögen, die immer ihrer Meinung sind, so schätzen doch die meisten Menschen ehrliches, konstruktives Feedback.
    Opfere also nicht deine Werte und das, woran du glaubst, nur um deine Manager:in zu beschwichtigen oder voranzukommen. Das wird nämlich das Vertrauen aller anderen in dich verringern.
  10. Sei transparent

    Solange du erklären kannst, was du tust und warum du es tust, werden es andere nachvollziehen können.
    Hab keine Geheimnisse und horte keine Informationen für dich. Teile Informationen mit Kolleg:innen, auch solche, die sie brauchen, um selbst erfolgreich zu sein.

Fazit:

Du solltest wissen, wie man Vertrauen am Arbeitsplatz aufbaut, wenn du vorankommen möchtest. Zu erlernen, wie man Vertrauen effektiv aufbaut, wird dir in all deinen Beziehungen helfen. Es ist wichtig, dabei einen langfristigen Ansatz zu verfolgen. Denn vergiss nicht: Vertrauen aufzubauen geht nicht über Nacht – es braucht Zeit.

Wenn du noch mehr darüber wissen willst, wie du in deiner ganz persönlichen Situation Vertrauen aufbauen kannst, kann ein Coaching hilfreich sein. Wenn du also mehr Unterstützung möchtest, melde dich und entdecke, wie unsere crimalin Journeys dir helfen können, im Leben und in deiner Karriere voranzukommen: Business & Career
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Literatur

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