Zurück aus dem Urlaub mit vielen neuen Vorsätzen im Gepäck?

Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder & COO
Ein junger Mann sitzt entspannt auf der Couch vor seinem ausgepackten Koffer und arbeitet am Laptop
Inhaltsverzeichnis:
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Zurück aus einem herrlichen Urlaub, mit echtem Tapetenwechsel und keinem Gedanken an Alltagsstress? Du fühlst dich richtig gut erholt und hast dir vorgenommen, dir das ganz sicher nicht so schnell wieder nehmen zu lassen?

Dummerweise passiert genau das, wenn du nicht aufpasst.

Du kennst das sicher: Eine Freundin hat eine tolle Reise gemacht und du bist gespannt, was sie wohl bei Eurem Wiedersehen darüber erzählen wird.

Eure Verabredung muss jedoch aus verschiedenen Gründen mehrmals verschoben werden und so klappt es mit dem Treffen erst drei Wochen später.

Sie kommt etwas zu spät und abgehetzt ins Lokal und als du sie nach der Begrüßung fragst, wie denn der Urlaub war, antwortet sie seufzend:

„Ach, den hab‘ ich schon fast wieder vergessen...“

Ein Urlaub sollte den Alltag nicht nur unterbrechen, sondern ihn auch verbessern

Damit das Gefühl energiegeladener Leichtigkeit, das wir aus den Ferien mit nach Hause bringen, nicht so schnell wieder verloren geht, gilt es zu verhindern, dass sich der „alte Trott“ wieder einschleicht.

Daher ist es wichtig, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen und die Richtung leicht zu ändern. Anders ausgedrückt, du solltest nicht einfach nur auf den wieder einstürmenden Alltag reagieren, sondern agieren und ihn selbst bewusst beeinflussen.

Wo kommt eigentlich die Erholung her?

Die Frage klingt erst einmal banal, aber bei genauerer Betrachtung ist das Geschehen doch ziemlich komplex.

Um das zu erklären, möchte ich dich zu einem kurzen Abstecher in die Neurowissenschaft einladen, bevor wir uns anschließend der praktischen Umsetzung des Projektes „Urlaub in den Alltag holen“ widmen.

Unser Gehirn arbeitet, sehr vereinfacht gesagt, mit Elektrizität und Chemie.

Elektrizität:

  • Im normalen Wachzustand erzeugt es Beta-Wellen, die in einem Frequenzbereich von 13 Hz und höher schwingen. Damit bewältigt es Herausforderungen und Anstrengungen.
  • Im Entspannungszustand erzeugt es Alpha-Wellen. Hier schwingen die Wellen in einem Bereich von acht bis 13 Hz. Wir empfinden eine Art Flow-Modus.
  • In der leichten Schlafphase erzeugt es Theta-Wellen. Sie liegen in einem Frequenzbereich 4 – 7,5 Hz und im Tiefschlaf entstehen Delta-Wellen mit 1 – 4 Hz. Wir empfinden tiefe Entspannung.

Der Alpha-Zustand liegt also zwischen dem hellwachen und dem schläfrigen Zustand. Das Besondere am Alpha-Zustand ist, dass wir zwar wach sind, aber gleichzeitig auf alle Informationen aus dem Unterbewusstsein Zugriff haben.

Im Alpha-Wellen-Bereich arbeitet unser Gehirn synthetisch. So kommen uns auf einmal tiefere Erkenntnisse, wir sehen plötzlich das Wesentliche und haben ganz neue Ideen.

Und genau das geschieht im Urlaub:

Unser Gehirn kommt häufiger in den Alpha-Zustand, weil wir abgelenkt sind und nicht versuchen, uns einem Problem mit logischer Denkanstrengung zu nähern.  

Wir lassen die Gedanken einfach schweifen. Zum Beispiel beim Blick auf Meereswellen oder in die Weite von einem Berg aus oder wenn wir auf dem Rücken liegend in die Wolken schauen. Auch die zwanglose Beschäftigung mit ganz anderen Themen als wir sie im Alltag bewältigen müssen, wie Musik, Kunst, Geschichte u.ä., kann den Zustand begünstigen.

Das tolle am Alpha-Modus ist, dass er eine Art inneren Sortierungsprozess bewirkt. Er ist daher ein wichtiger Bestandteil unserer Erholung.

Chemie:

Häufig essen wir im Urlaub regelmäßiger, gesünder und bewusster. Auch trinken wir meist genug – die Trinkflasche gehört zum Standard und erinnert daran.

Allein das wirkt sich positiv auf die Ausbalancierung unserer inneren Chemie aus und somit auf das Funktionieren unserer Organe, einschließlich des Gehirns.

Besonders interessant ist aber die Bedeutung von Vitamin D oder Vitamin D3.

  • Bei einem Vitamin-D-Mangel sind Müdigkeit, Erschöpfung und Abgeschlagenheit häufig.  Büroarbeit, Homeoffice, Bildschirmtätigkeit fördern jedoch genau diesen Mangel, da sie die körpereigene Nachbildung des Vitamins verhindern. Wer sich nicht im Freien aufhalten kann oder in sonnenarmen Regionen lebt, bekommt nicht genug UV-Strahlung ab, die für die Produktion des Vitamins erforderlich ist.
  • Neben seiner Wirkung an Knochen (Kalzium-Stoffwechsel) ist Vitamin D3 auch stark in die Regulation des Botenstoffes Serotonin - das sogenannte “Wohlfühlhormon” - im Gehirn eingebunden. Es hat darüber hinaus Einfluss auf die Verwertung von Dopamin und Noradrenalin im Gehirn. Auf diese Weise wirkt Vitamin D3 auch stimmungsaufhellend.

Im Urlaub sind wir generell viel mehr im Freien und obendrein meist in sonniger Umgebung. So können sich unsere Vitamin-D-Speicher auffüllen. Auch dadurch fühlen wir uns wieder energiegeladener und zuversichtlicher.

Das Erlebnis „Urlaub“ hat also ganz konkrete, nachweisbare Auswirkungen auf unser Gehirn, so dass es sinnvoll ist, sich zu fragen, ob nicht einiges davon in unseren Alltag übertragen werden kann.

Wie also den Urlaubseffekt aufrechterhalten?

Alles beginnt damit, dass du dir Zeit nimmst – nicht viel, aber eben doch bewusst investierte Zeit, damit du dich nicht nur im Urlaub, sondern auch im Alltag wohler fühlst.

Wenn du die positiven Auswirkungen deines Urlaubs wenigstens teilweise aufrechterhalten willst, solltest du überlegen, welche kleinen Rituale du in deine tägliche Routine einbauen kannst, um dies zu tun.

Aber fangen wir bei der Heimkehr an:

So schön es am Urlaubsort auch ist, du solltest trotzdem 2-3 Tage vor Ende deines Urlaubs zurückkommen. So kannst du in Ruhe auspacken, verstauen, dich an Mitbringseln freuen und sie in dein Zuhause integrieren. Du kannst Freunden und Nachbarn Hallo sagen und vor allem etwas sehr Wichtiges tun:

Du kannst dich hinsetzen und aufschreiben, was dir der Urlaub gegeben hat. Neben schönen Erinnerungen (die aufgeschrieben übrigens länger nachwirken), kannst du dir Antworten zu folgenden Fragen aufschreiben:

  • Welche Erkenntnisse sind mir in den entspannten Alpha-Wellen-Phasen gekommen, die ich nicht so schnell vergessen will?
  • Was bedeuten sie für mich, für meinen Alltag?
  • Was muss ich tun, damit sie in meinem Alltag weiterexistieren?
  • Welche anderen Verhaltensweisen, die ich im Urlaub hatte, haben mir besonders gutgetan?
  • Wie kannst ich sie in meinen Alltag übertragen?
  • Was wäre der Effekt auf meinen Alltag, wenn es mir gelingt?
  • Was wäre das positive Ergebnis?
  • Wen würde das (außer mir) freuen?
  • Wen würde es ärgern und wie kannst ich damit umgehen?

Wenn du einen unausgepackten Koffer ertragen kannst (ich selbst gehöre nicht dazu), dann solltest du diese Übung unbedingt als allererstes machen – in jedem Fall aber bevor du die Post sichtest. Sie löst nämlich sehr oft den Sog zurück in den Vorurlaubsstress aus.

Nach der Übung wirst du damit übrigens auch viel unaufgeregter umgehen können.

Wenn du dir dann alles Schöne und Gute aufgeschrieben hast und dir vorgenommen hast einiges in deinem Alltag zu ändern, dann gilt es allerdings noch eine kleine Hürde zu nehmen.

Die hat wieder mit unserem Gehirn und dessen Funktionsweise zu tun...

Komfort-Zone Stress

Klingt paradox, nicht wahr? Aber genauso ist es. Wenn du vor deinem Urlaub über lange Zeit unter Dauerstress gestanden hast, dann reichen zwei oder drei Wochen Urlaub nicht, um dein Gehirn davon zu entwöhnen. Durch die dauernde Fight-or-Flight-Reaktion ist die Hormonlage gestört und es ist förmlich süchtig nach Stress.  Davon kann in einem Urlaub zwar ein „Entzug“ stattfinden, aber die Komfort-Zone, die im Stress-Erleben entstanden ist, ist noch nicht überwunden. Sie wirkt nach.

Wie kommt das?

Unser Gehirn ist unser zentrales Überlebensorgan. Es checkt ununterbrochen im Hintergrund, während wir mit Denken und Lösungsfindung beschäftigt sind, ob wir uns in Sicherheit oder in Gefahr befinden. Dieser Überwachungs-Apparat ist uralt, er war lange vor unserem analytischen Denken da. Er ist leise, aber mächtig.

Wenn wir eine Situation für längere Zeit überleben, erklärt das Gehirn diese zur Sicherheits-Zone. Es merkt sich die Verhaltensmuster und Abläufe, die in der Situation dominieren und dort zieht es uns immer wieder hin, damit uns nichts passiert.

Dummerweise tut es das auch bei Sachen, die wir uns abgewöhnen wollen, auch wenn uns diese auf lange Sicht schaden (denn das „weiß“ es nicht).

Es tut das auch, bei Sachen, die wir neu lernen wollen, auch wenn diese uns guttun würden. Es stuft sie – da sie nicht ins bekannte Muster passen – als potenzielles Risiko ein.

Von der Komfort-Zone in die Lern-Zone – die 7 wichtigsten Tipps

Wenn du also nach deinem Urlaub etwas Neues in deinem Leben einführen möchtest und nicht willst, dass es wie mit guten Neujahrsvorsätzen endet, dann musst du diesen alten Teil deines Gehirns überlisten.

Hier 7 Tipps, wie du das schaffen kannst:

  1. Fang sofort an!
    Wenn Du nicht innerhalb der ersten 72 Stunden mit deinem Vorhaben beginnst, wirst Du es voraussichtlich gar nicht umsetzen.
    Innerhalb dieser Zeitspanne versorgt dich dein Gehirn übrigens mit jeder Menge Ausreden („Ich muss erst noch das und das erledigen“, „Hab grad wirklich nicht die Zeit dazu“) oder es redet dir das Vorhaben klein („Das wird eh total überbewertet“, „Kinderkram, es gibt wirklich wichtigeres“), damit du in der vermeintlich sicheren Komfort-Zone bleibst. Hör nicht darauf, fang an.
  2. Anfangen heißt kleine Schritte gehen!
    Denk mal an kleine Kinder – sie rennen nicht gleich los, sondern üben unermüdlich Balance und kleine Schritte bis es richtig losgeht. Jeder erste Schritt in die neue Richtung ist ein Überschreiten der Komfort-Zonengrenze, der dein Gehirn beruhigt und dir erlaubt, weiterzumachen. Zu große Schritte misslingen hingegen häufig und demotivieren dich.
    Du hast den Vorsatz gefasst, ein Instrument zu erlernen? Ruf z.B. innerhalb der ersten drei Tage bei einer Musikschule an und mach einen Termin aus – das reicht schon.
  3. Geh eine Selbstverpflichtung ein!
    Erzähle Freunden und Kollegen davon. Schreib dir selbst einen Brief dazu, was du in einem halben Jahr erreicht haben willst. Gib ihn einer vertrauten Person, die ihn dir nach 6 Monaten zuschickt. Du wirst dich wundern, wie viel du allein dadurch schaffst, dass andere dich in deinem Vorhaben mental (oder auch praktisch) unterstützen, dich erinnern und sich mit dir freuen.
    Dein Brief bleibt, auch wenn du seinen Inhalt scheinbar vergisst, in Wahrheit geradezu bildlich in deinem Gehirn präsent und entfaltet still viel Wirkung.
  4. Setze Anker und Reminder!
    Du kannst dir auch zu einem weichen Thema, wie „Tee-Pause einlegen und nachdenken“, Kalendereinträge machen und bestimmte Zeiten blockieren, denn das Gehirn liebt Routinen und Rituale. Dennoch vergessen wir solche Einträge mitunter, weil das mächtige alte Gehirn sie herunterspielt und andere Themen in den Vordergrund stellt. Deshalb braucht es manchmal Tricks.

    Hier ein ganz praktisches Beispiel aus eigener Erfahrung:
    Vor einiger Zeit hatte ich bemerkt, dass ich eindeutig zu wenig Wasser trinke. Die Flasche auf dem Schreibtisch und die in der Küche blieben nach einem Glas am Morgen häufig unangerührt. Ich habe sie schlicht immer übersehen, wir ein altbekanntes Bild an der Wand. Deshalb stellte ich mir vier Wochen lang (sehr zum Leidwesen meines Mannes) acht 250 ml Gläser auf. Diese mussten mindestens leergetrunken werden. Nach vier Wochen verlangte mein Körper (oder besser mein Gehirn) von selbst nach einem Glas Wasser pro Stunde, so dass ich schließlich die Flaschen nutzen konnte.
  5. Bleib ein halbes Jahr lang dran!
    Studien besagen, dass es – aufgepasst – zwischen 20 und 250 Tagen dauert bis eine Handlung zur Routine wird. Es ist also von Person zu Person verschieden. Wenn du in dich hineinhorchst, wirst du wahrscheinlich so ungefähr wissen, wie lange es bei dir dauert.
    Bei meinem Wasser-Beispiel hat es 30 Tage gedauert bis der Körper selbst ein Signal gab, es brauchte aber noch eine Zeit, in der ich ‚bewusst‘ darauf reagieren musste. Nach einem halben Jahr war Wassertrinken zur völlig normalen Routine geworden, die auch bleibt.
  6. Belohne dich für deinen Erfolg!
    Schreib es schon gleich mit in deinen Brief an dich selbst: „Wenn ich mein Ziel erreiche, bekomme ich / mache ich / schenke ich mir...“.

    Warum ist das wichtig?
    Wenn unser Gehirn weiß, dass eine Belohnung zu erwarten ist, beginnt es schon gleich mit der Dopamin-Ausschüttung. Dieser Botenstoff löst Vorfreude auf den Augenblick aus und die Sehnsucht, ihn zu erreichen. Das nennt man auch intrinsische Motivation. Im Falle von Projekten im Beruf kann die Belohnung auf die wir uns freuen, in der positiven Auswirkung des Ergebnisses und/oder der Anerkennung und Wertschätzung durch andere bestehen. Wenn es um ein persönliches Projekt geht, kannst du dir zum Beispiel schon gleich etwas Schönes kaufen, es als Geschenk verpacken lassen und erst wieder auspacken, wenn das Ziel erreicht ist.
  7. Zieh Kontrollschlaufen ein!
    Nimm dir einmal pro Woche Zeit, um zu reflektieren, wie gut es dir gelungen ist, dein neues Vorhaben umzusetzen. Was lief gut, was nicht? Weshalb war das so? Was könnte ich verstärken, was unterlassen?
    Durch diese Selbst-Beobachtung und -Auswertung bleibst du besser am Ball bis sich die selbstgängige Routine eingestellt hat.

Damit solltest du jetzt gut gerüstet sein, um deine nicht gegenständlichen Urlaubs-Mitbringsel aus dem Gepäck zu holen und zu verwerten.

Zum Schluss nochmal zum Anfang

Kurz noch einmal zum Anfang zurück:

Auch der Erholungseffekt Alpha-Modus sollte nicht nur dem Urlaub vorbehalten sein.

Der Alpha-Modus lässt sich zum Beispiel durch bestimmte Musik*, durch das komplette Eintauchen in ein Hobby oder durch Ausdauersport auslösen. Du wirst dich danach sofort erholter fühlen und wenn du dich dann fragst: “Bin ich eigentlich noch auf dem richtigen Weg?“ Dann wirst du Antworten aus deinem sehr klugen Unterbewusstsein erhalten.

Und auch die Vitamin-D3-Speicher müssen nicht auf den nächsten Sonnenurlaub warten. In der grauen Jahreszeit empfiehlt es sich, einmal bei deiner Ärztin, deinem Arzt einen Test zu machen. Sollte der Wert zu niedrig sein, bekommst du ein Rezept und eine Dosierung.


*Musikbeispiele aus der Hirnforschung:

  • Johann Sebastian Bach: Aria zu den Goldberg-Variationen, Largo aus dem Konzert für Cembalo solo in F-Dur
  • Georg Friedrich Händel: Alle langsamen Sätze aus Concerti grossi op. 6, Nr. 1-12, Largo aus dem Konzert für Viola, Streicher und Basso continuo in G-Dur
  • Antonio Vivaldi: Largo aus dem "Winter", die Vier Jahreszeiten, Flautinokonzert in E-Moll, op. 44, Largo
  • Mozarts "Sonate für zwei Klaviere in D-Dur KV 448"

Literatur

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