Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder, COO & Head Coach Life Orientation & Navigation
In Deinem Leben nimmt Arbeit ganz bestimmt viel Raum ein. Sie beeinflusst nicht nur, wie du Deine Zeit verbringst, sondern wirkt sich auch auf Deine körperliche und seelische Gesundheit aus. Diese enge Verbindung zwischen Arbeit und Wohlbefinden rückt eine Frage in den Mittelpunkt: Wie können Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass sie Dich und Dein Team stärken, statt Euch zu belasten?
Als Führungskraft bist du dabei eine Schlüsselfigur. Dukannst aktiv dazu beitragen, dass Arbeit zu einer Quelle der Gesundheit wird – nicht nur durch das Vermeiden von Belastungen, sondern vor allem durch das bewusste Fördern von Stärken und Ressourcen. Genau hier setzt der salutogenetische Ansatz von Aaron Antonovsky an, der dir hilft, eine Führungsphilosophie zu entwickeln, die man als salutogene Führung bezeichnen kann.
Der Arbeitsplatz ist heute für viele eine doppelte Herausforderung: Einerseits sind die körperlichen Gefährdungen durch ergonomische Maßnahmen und Sicherheitsstandards gesunken. Andererseits nehmen psychische Belastungen zu. Studien des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigen, dass sich über die Hälfte der Arbeitnehmenden oft gehetzt fühlt. Krankenkassen melden parallel einen Anstieg psychischer Erkrankungen – Tendenz steigend.
„Der Krankenstand der 5,7 Millionen bei der TK-versicherten Erwerbstätigen hat in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 einen neuen Rekord erreicht. Demnach war jede bzw. jeder Erwerbstätige in diesem Zeitraum durchschnittlich 14,13 Tage krankgeschrieben.“*
Das liegt nicht nur an der steigenden Arbeitsverdichtung oder der Flexibilisierung, sondern auch an Unsicherheiten, wie der Angst vor Arbeitsplatzverlust. Solche Belastungen können Mitarbeitende in Richtung Krankheitspol treiben, wenn sie keine ausreichenden Ressourcen haben, um damit umzugehen.
Ein gigantisches Einsparpotenzial für Unternehmen, das durch den salutogenetischen Führungsansatz gehoben werden kann.
Doch Arbeit an sich kann ganz direkt deine Gesundheit stärken. Sie bietet dir und deinem Team die Möglichkeit, durch Herausforderungen zu wachsen, soziale Kontakte zu pflegen und Sinn zu finden. Hier setzt du als Führungskraft an: Es ist deine Aufgabe, das richtige Maß an Anforderungen zu schaffen und gleichzeitig Raum für Erholung, Austausch und positive Erfahrungen zu bieten.
Vielleicht hast du schon von der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört, die Gesundheit als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“ beschreibt.
Doch ist ein solcher Idealzustand überhaupt realistisch?
Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky sieht Gesundheit anders. Für ihn ist Gesundheit kein absoluter Zustand, sondern ein Kontinuum. du und deine Mitarbeitenden befindet euch irgendwo zwischen den Polen „Gesundheit“ und „Krankheit“ – und eure Position verschiebt sich ständig, je nach den Herausforderungen, denen ihr ausgesetzt seid, und wie ihr damit umgeht.
Dieses dynamische Verständnis von Gesundheit bedeutet, dass du nicht darauf warten solltest, dass alles „perfekt“ ist. Stattdessen kannst du aktiv daran arbeiten, die Position deines Teams auf dem Kontinuum in Richtung Gesundheit zu bewegen.
Der Kern der Salutogenese liegt in einer einfachen, aber mächtigen Frage: Was hält uns gesund? Diese Perspektive ersetzt das oft vorherrschende Defizitdenken („Was macht uns krank?“ oder „Was macht uns gesund“) durch einen ressourcenorientierten Ansatz.
Das bedeutet für dich: Es geht nicht nur darum, Stressoren zu minimieren. Vielmehr solltest du dich darauf konzentrieren, die Widerstandsressourcen (Resilienz) deiner Mitarbeitenden zu stärken. Dazu zählen:
Indem du diese Ressourcen gezielt förderst, hilfst du deinem Team, Belastungen besser zu bewältigen – und machst Stress sogar zu einer potenziellen Quelle der Weiterentwicklung.
Kohärenzgefühl – Der Schlüssel zur Resilienz
Ein zentrales Konzept in der Salutogenese ist das Kohärenzgefühl, oder „Sense of Coherence“. Es beschreibt die Fähigkeit, das Leben als verstehbar, handhabbar und sinnhaft wahrzunehmen. Je stärker dieses Gefühl bei deinen Mitarbeitenden ausgeprägt ist, desto besser können sie mit Belastungen umgehen.
Das Kohärenzgefühl setzt sich aus drei Elementen zusammen:
Hast du schon einmal bemerkt, wie stark sich deine eigene Stimmung auf dein Team überträgt? Emotionen sind „ansteckend“. Wenn du als Führungskraft Zuversicht, Optimismus und Gelassenheit ausstrahlst, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden deiner Mitarbeitenden aus.
Die positive Psychologie bietet dir hier wertvolle Ansätze. Sie zeigt, dass positive Emotionen nicht nur kurzfristig guttun, sondern langfristig die Resilienz und Leistungsfähigkeit fördern. Zum Beispiel, indem sie das Denken erweitern, soziale Bindungen stärken und den Aufbau neuer Ressourcen ermöglichen.
Eine zentrale Erkenntnis der Salutogenese ist, dass der Aufbau von Ressourcen einen positiven Kreislauf in Gang setzt. Stevan Hobfoll, ein führender Stressforscher, nennt das die „Gewinnspirale“: Je mehr Ressourcen Deine Mitarbeitenden haben, desto besser können sie neue Ressourcen aufbauen.
Das heißt für dich: Investiere in die Stärken deines Teams. Fördere ihre fachlichen Fähigkeiten, unterstütze sie bei persönlichen Herausforderungen und schaffe eine Kultur, in der Vertrauen und Zusammenarbeit wachsen können.
Wie sieht das konkret aus? Hier sind einige Ansätze, die du in Deinem Führungsalltag umsetzen kannst:
Die klassischen Führungsaufgaben – Entscheiden, Organisieren, Kontrollieren – bleiben wichtig. Aber sie allein reichen nicht mehr aus. Salutogene Führung ergänzt diese Aufgaben um einen zentralen Punkt: Fürsorge.
Du trägst die Verantwortung dafür, dass dein Team nicht nur produktiv, sondern auch gesund arbeitet. Das ist keine nette Option, sondern eine ethische und arbeitsrechtliche und vor allem zukunftsweisende Verpflichtung.
Salutogene Führung ist mehr als ein Trend. Sie bietet dir die Möglichkeit, nicht nur das Wohlbefinden deiner Mitarbeitenden zu fördern, sondern auch die Leistungsfähigkeit und Resilienz deines Teams zu stärken. Gleichzeitig trägst du dazu bei, eine Kultur zu schaffen, in der Arbeit nicht nur ein Mittel zum Zweck ist, sondern ein erfüllender und inspirierender Teil des Lebens.
Denke daran: Du kannst jederzeit damit anfangen, das Wohlbefinden in deinem Team zu steigern. Indem du salutogene Führung in Deinen Alltag integrierst, machst du nicht nur deine Mitarbeitenden, sondern auch dich selbst zu einem Gewinner.
*Pressemitteilung TK vom 28.10.2024
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