Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder & COO
Bevor wir uns den Auswirkungen von Narzissmus im beruflichen Umfeld widmen, möchte ich zum besseren Verständnis ganz kurz auf den eigentlichen Ursprung und die heutige Verarbeitung des Mythos vom schönen Knaben Narziss eingehen.
Die Sage von Narziss stammt ursprünglich aus der griechischen Mythologie und ist sehr tragisch. Wer sie kennt, kommt fast nicht umhin, großes Mitgefühl mit dem Knaben zu haben, der sich wegen seiner Schönheit gegen ein allseitiges Liebeswerben verteidigen muss. Weil er nicht darauf eingeht und alle Freier und Freierinnen abwehrt, wird er schließlich verflucht, sich nur noch in sich selbst verlieben zu können. Er gerät daher in absolute Verzückung beim Anblick seines Spiegelbildes im Wasser. Dieses Abbild scheint ihm zwar zu antworten, aber er kann es nie greifen. So geht Narziss zuletzt an dieser nicht erfüllbaren Liebe zugrunde.
Anfang des 20. Jahrhunderts griff Sigmund Freud, der sehr viel mit archaischen Bildern und Mythen arbeitete, diese Sage auf, um damit zwei Formen der Selbstliebe zu bezeichnen:
Die gesunde, die in einer bestimmten Phase der Kleinkind-Entwicklung entsteht. Kinder erkennen in dieser Phase zum ersten Mal, dass der Spiegel sie selbst zeigt.
Und die pathologische Variante, die sich voll ausgeprägt erst im Erwachsenenalter zeigt. Diese entsteht durch eine Störung in der entsprechenden kleinkindlichen Entwicklungsphase, zum Beispiel dann, wenn das Kind Lieblosigkeit und Ablehnung erfährt und sich deshalb sozusagen selbst nicht lieben kann.
Unschwer lässt sich an der Erklärung schon erkennen, dass der Begriff „Narzisst“ heute umgangssprachlich inflationär gebraucht wird. Nicht jeder Mensch hat eine tiefgreifende frühkindliche Störung und doch scheinen neuerdings überall Narzissten und Narzisstinnen unterwegs zu sein...
Vielleicht erinnern sich manche noch daran, dass vor nicht allzu langer Zeit überall zuerst „Schizophrene“ und später dann „Psychopathen“ ausgemacht wurden.
Jetzt ist es also der Narzisst...
Diese übertriebenen Zuschreibungen von Krankheitszuständen bedienen das verständliche Bedürfnis, der Wut über ein schwer zu ertragendes Verhalten von Mitmenschen Ausdruck zu verleihen.
Außerdem weist ein Begriff aus der Psycho-Pathologie zugleich indirekt darauf hin, dass man gegenüber der Person mit diesem Verhalten ganz und gar ohnmächtig ist. Man sagt damit so in etwa: „Ich bin kein Opfer-Typ, aber da kann man eben nichts machen...das ist einfach krank“
Ist das wirklich so? Kann man wirklich nichts machen? Aber dazu später mehr.
Wie oben bereits beschrieben, entwickeln wir alle frühzeitig eine Selbstliebe, die Teil unserer gesunden Überlebens-Ausstattung und Lebens-Freude ist.
Wir sind darauf programmiert, als Individuum zu überleben und müssen also zunächst einmal vor allen anderen uns selbst lieben.
Außerdem stehen wir auch nolens volens im Zentrum unseres Erlebens und es fällt daher recht schwer, nicht alles subjektiv wahrzunehmen.
Der gesunde Narzissmus bedeutet, sich selbst zu mögen, sich für liebenswert zu halten, auch (ohne Überheblichkeit) stolz auf eigene Fähigkeiten zu sein.
Folglich auch, sich selbst zu schützen, für sich selbst zu sorgen und entsprechend Dinge für sich einzufordern.
Kurz: Gutes Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit basieren auf einem gesunden Narzissmus.
Zum gesunden Narzissmus zählt jedoch kein rücksichtsloser Egoismus und auch kein Ellenbogenstoßen. Das sind individuell-charakterlich bedingte Verhaltensweisen, die nicht selten auf Unsicherheiten, Ängste und negative Glaubenssätze der betreffenden Personen hindeuten.
Eine derart übertriebene Selbstbezogenheit entsteht meistens durch erziehungsvermittelte Überzeugungen und Einstellungen.
Aber auch das ist noch kein pathologischer Narzissmus.
Woran erkennt man also eine manifeste pathologisch narzisstische Persönlichkeitsstörung?
Es gibt einige Symptome, die sich sehr deutlich von gesundem Narzissmus und überzogener Selbstbezogenheit unterscheiden.
Dazu zählen:
Vor allem aber fehlt es Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung stark an Empathie. Entsprechend nutzen sie zwischenmenschliche Beziehungen nur für Ihre eigenen Zwecke. Dabei gehen sie sehr geschickt manipulativ vor.
Wenn man sie zum Beispiel neu kennenlernt können sie sehr faszinierend sein und für ihre Sache begeistern. Sie tun dies meistens, indem sie einem schmeicheln, so dass man das Gefühl bekommt, besonders wertvoll zu sein.
Nicht selten sprechen sie aber über andere Personen extrem abwertend und geben einem dabei das Gefühl, dass einen der Himmel geschickt hat, weil man ja so viel besser sei als all diese Versager.
Aber Vorsicht: Das ist ein Strohfeuer, das spätestens dann erlischt, wenn man Kritik äußert. Dann sind Personen mit einer narzisstischen Störung beleidigt, werden wütend und reagieren extrem abwertend.
Kurz gesagt, man landet ebenfalls in der Kategorie Versager.
Innerlich sind diese Menschen nämlich oft von Neidgefühlen und Schwankungen zwischen Selbstüberschätzung und totalen Versagensängsten gequält.
So kommt es zu anfänglicher Aufwertung anderer Menschen, die scheinbar tolle Eigenschaften haben und als Freunde oder Vertraute das eigene Ego schmücken können.
Bei der leisesten Irritation, sei es, wie gesagt, eine Kritikäußerung oder eine Schwäche, die sich zeigt, bricht dieses Stabilisierungs-System zusammen, denn „so ein Mensch“ kann die narzisstische Person ja nicht mehr aufwerten.
Dieser Verlust an Glamour kann aber auch schon durch reines Näherkennenlernen ausgelöst werden, denn je besser man einander kennt, desto mehr werden auch ganz normale Seiten vom anderen sichtbar.
Normal darf aber niemand in der direkten Umgebung von narzisstisch gestörten Menschen sein – großartig oder mindestens besonders muss man sein!
Die Folge ist dann eine totale Demontage mit häufig sehr verletzenden Methoden.
Dennoch können diese Menschen Im beruflichen Kontext durchaus alle mitreißen, anspornen und große Erfolge herbeiführen.
Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Es kann leicht passieren, dass man an ihrer Seite ausgebeutet wird und am Erreichten in keiner Weise partizipiert.
Schließlich kommt der Erfolg nur durch ihre grandiose Leistung und folglich gehört der Ruhm nur ihnen...
Diese Fähigkeit, andere für den eigenen Erfolg einzuspannen und in gewisser Weise visionär zu sein oder besser gesagt, eigene Grandiosität-Phantasien als Visionen zu verkaufen, führen nicht selten zu rasanten Karriereschritten. Dazu trägt außerdem bei, dass sie es schaffen, ihr Umfeld mit einer Art lähmendem Bann zu belegen, der vor allem durch die Angst vor ihrer niedermachenden Reaktion bei Kritik oder Widerspruch entsteht.
Wenn wir es mit einer tatsächlich narzisstisch gestörten Persönlichkeit zu tun haben, können wir das zum Teil an den weiter oben aufgezählten Symptomen erkennen, die allerdings in abgeschwächter Form mitunter auch bei egozentrischen Mitmenschen vorkommen. Deshalb ist es wichtig, zusätzlich auch auf das eigene Bauchgefühl zu hören.
Da diese Menschen dazu neigen einen großen Glorienschein um ihre Person zu verbreiten, kann es in allen diesen Fällen womöglich sein, dass man Selbstzweifel bekommt, anstatt zu erkennen, dass dies rein gar nichts mit einem selbst zu tun hat.
Es ist daher wichtig, diese „Bauchgefühle“ ernst zu nehmen und richtig einzuordnen.
Was also tun, wenn uns Narzissmus in unserem Umfeld begegnet?
Wenn wir jetzt wieder zum Anfang zurückgehen, wird schnell klar, dass es drei Arten von narzisstisch bedingten Konflikten geben kann, die alle ganz verschieden sind und daher auch unterschiedlich gelöst werden müssen.
Echter pathologischer Narzissmus ist selten.
Wenn er wirklich vorliegt, gilt es vor allem, sich selbst zu schützen.
Keinesfalls darf die Zuschreibung „Narzisst“ jedoch auf die alltägliche, „normale“ Selbstbezogenheit angewandt werden. In diesen Fällen ist es erstens eine Diffamierung und zweitens verhindert es den konstruktiven Umgang mit der Situation und die aktive Lösungssuche.
Es kann mitunter schwer sein, beides voneinander zu unterscheiden oder auch eine gute Durchsetzungs-Strategie für sich selbst zu finden. Hilfreich ist dann ein Coaching, das einen bei der Klärung unterstützt und einem den Rücken stärkt. Am besten ein Coaching in einer kleinen Gruppe wie wir es bei crimalin anbieten. Gruppen-Coaching schafft ein vertrauensvolles Netzwerk, das auch außerhalb der eigentlichen Coaching-Sessions Unterstützung bietet. Außerdem wirken die Erlebnisberichte anderer auch relativierend („Es passiert also nicht nur mir - ich bin nicht allein damit“) und bieten durch die Best Practices der Peers auch ganz direkt Handlungs-Optionen.
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