Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder & COO
Als junge Medizinerin habe ich eine bittere Erfahrung gemacht:
Ich war allein mit meinen Problemen, meinen Unsicherheiten und den emotionalen Herausforderungen, die der Beruf gerade in der Anfangszeit der Kliniktätigkeit mit sich bringt.
Die Oberärzte waren häufig nicht erreichbar, die Kollegen schienen alles zu können (oder traten jedenfalls so auf) und manche Chefs reagierten bei Fragen oder auf Fehleinschätzungen sogar herablassend. Kein Wunder, dass in diesem Umfeld wenig offener Austausch zu Unsicherheiten oder gar Fehlern stattfand.
Zum Glück erzählte mir ein niedergelassener Kollege auf einer Party zufällig von sogenannten „Balint-Gruppen“ und was für eine tolle Unterstützung dieses Format für die Lösung ganz konkreter beruflicher Herausforderungen sei. Obendrein lerne man unglaublich viel dabei.
Und dann kam die positive Erfahrung, fast möchte ich sagen, eine alles verändernde Erfahrung, denn natürlich habe ich mich schon bald danach bei einer solchen Gruppe angemeldet!
Wir waren acht Ärzt:innen verschiedener Fachrichtungen und wir trafen uns einmal im Monat für einige Stunden mit einer Psychoanalytikerin. In jeder der Sitzungen machten wir unter ihrer Moderation 2 Fallbearbeitungen.
Der Ablauf war dabei immer gleich:
Eine, einer von uns schilderte eine schwierige Situation aus seinem beruflichen Alltag und alle anderen hörten zu. Anschließend durften ausschließlich Verständnisfragen gestellt werden - Vertiefungen oder Hinterfragungen waren an der Stelle noch nicht erlaubt.
Danach durften die anderen Gruppenmitglieder alles aussprechen, was ihnen dazu in den Sinn kam, alles, was sie merkwürdig fanden, welche Gefühle der Bericht bei ihnen ausgelöste, welche Widersprüche sie wahrnahmen, sie konnten Assoziationen und Hypothesen bilden, selbst wilde Spekulationen durften sie aufstellen.
Kurz, sie durften alles aussprechen - alles, außer guten Ratschlägen.
Bei dieser Runde durfte der Fallgeber/die Fallgeberin nur zuhören und sich nicht mehr einmischen.
Nach einigen Minuten beendete die Analytikerin an passender Stelle die Runde, fasste zusammen und interpretierte das Gehörte noch einmal auf der Metaebene.
Für den Fallgeber/die Fallgeberin brachte dieses Vorgehen immer jede Menge Aha-Momente und neue Erkenntnisse.
Den Abschluss machte dann eine kurze Berater-Runde, bei der die anderen Gruppenmitglieder Best Practises und eigene Herangehensweisen weitergaben.
Tatsächlich habe ich selten so viel gelernt.
Natürlich habe ich in meinem Studium, meiner Facharztausbildung, meiner Praxiszeit immer wieder Neues gelernt, aber die Erfahrung, die ich in der Balint-Gruppe gemacht habe, war wirklich fundamental:
Ganz nebenbei entstand ein Netzwerk, das sehr lange hielt – zum Teil bis heute!
Ich fand dieses Erlebnis so großartig und hilfreich, dass ich nach einiger Weiterbildung später selbst Balintgruppen leitete und als ich 1996 meine Praxis schloss, um – wieder nach zusätzlichen Weiterbildungen - künftig als Coach in Unternehmen zu arbeiten, bot ich gleich Coaching-Circles an.
Es dauerte allerdings noch eine ganze Weile bis sich das durchsetzen ließ, denn damals herrschte noch eher eine „Wissen-ist-Macht-Mentalität“, also war der Umgang miteinander eher vorsichtig.
Als nach und nach eine Kultur von Lean-Management, komplementärer Teamarbeit und positiver Fehlerreflexion Einzug hielt, änderte sich das und immer häufiger fanden dann auch Gruppen-Coachings in Unternehmen statt.
Die Wirkung war immer ähnlich positiv wie bei mir vor Jahren durch die Balint-Gruppen-Arbeit, so dass viele Teilnehmer:innen noch lange später darin eine der Ursachen für ihre Erfolge sahen.
Im Bereich von Coaching gibt es keine relevanten Studien zu der Frage „Gruppe oder 1:1?“. Ursache ist vermutlich die nicht geschützte Berufsbezeichnung, wodurch weniger gesicherte Vergleichbarkeit entsteht. Im Bereich der Therapien wird man da schon eher fündig und das Ergebnis ist ähnlich dem, was ich empirisch bei meinen Coachings festgestellt habe.
So kommen zum Beispiel Lange & Petermann* in ihrer systematischen Literaturanalyse 2013 zu folgendem Schluss:
"Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Wirksamkeit von Gruppenpsychotherapie mit der Einzelpsychotherapie vergleichbar ist."
Daher:
"Unter Berücksichtigung der Kosten und langer Wartezeiten auf einen Einzeltherapieplatz könnte der vermehrte Einsatz von Gruppenbehandlungen einen wichtigen Beitrag ...leisten."
Und auch Burlingame, Strauss & Joyce stellen in einer Übersichts-Arbeit 2013 fest:
„Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das letzte Jahrzehnt an Forschung strengeren Regeln folgte und dabei weiterhin mit guter oder ausgezeichneter Evidenz den Ansatz der Gruppentherapie für die meisten Störungen (...) belegt“
(Übersetzung aus dem Englischen C. Barth Frazzetta)
Natürlich stellt es eine größere Hürde dar, sich in einer Gruppe zu „outen“ als im Zweier-Setting. Der Coach unterliegt der Schweigepflicht und schließlich gehört es zu seiner Arbeit, sich mit problematischen Themen seines Klienten auseinanderzusetzen.
Wie steht es damit bei den Teilnehmer:innen einer Gruppe? Ich denke, die Antwort ist klar, denn alle sitzen im gleichen Boot und können kaum Interesse daran haben, dass etwas von der jeweiligen Thematik nach außen dringt. Damit sich aber alle sicher fühlen, haben sich zweierlei Maßnahmen bewährt:
Klient:innen, die einmal die Erfahrung eines Gruppen-Coachings gemacht haben, sagen regelmäßig, dass sie anfangs skeptisch gewesen seien, sich aber jetzt immer wieder dafür entscheiden würden.
Was übrigens hinzukommt ist, dass Gruppen-Coaching zusätzlich zu all den genannten Vorteilen auch noch deutlich günstiger ist.
Vielleicht denken aber genau deshalb manche, es sei auch nicht so viel wert?
Gruppen-Coaching ist also ein Königsweg. Es verbindet persönliches Wachstum mit dem Aufbau eines vertrauensvollen Netzwerks und nimmt Hemmungen und Ängste im Umgang mit auftauchenden Schwierigkeiten und Konflikten.
Es entspricht auch einem wichtigen Aspekt der systemischen Arbeitsweise, der zufolge Menschen ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten im Kontext von Gruppen und Beziehungen entwickeln. Auch Probleme, die dabei auftauchen, finden nicht im luftleeren Raum, sondern in einem sozialen Umfeld (Familie, Freundeskreis, Arbeitsplatz, Interessengruppen etc) statt. Eine Gruppe ermöglicht daher realistischere Übungs-Simulationen als ein 1:1-Coaching. Und überdies lernen in einem Gruppen-Coaching alle Teilnehmenden wechselseitig voneinander.
Selbstverständlich gibt es dennoch bestimmte Aspekte oder Situationen, bei denen eine Vertiefung in Einzel-Sitzungen ratsam ist, aber viel zu häufig kommt das 1:1-Coaching zum Einsatz, wo ein in so vieler Hinsicht bereicherndes Gruppen-Coaching in Erwägung gezogen werden sollte.
Inzwischen habe ich zusammen mit meinen Co-Foundern und einem Team aus erfahrenen Coaches ein großartiges online-Format für Gruppen-Coaching entwickelt. Wir sind voll und ganz von diesem Format überzeugt und wir wollen allen Menschen ein qualitativ hochwertiges Coaching ermöglichen. Denn wir finden:
Everyone deserves a Coach
Quellen:
* Lange, M., & Petermann, F. (2013). Die Wirksamkeit von Einzel-und Gruppentherapie im Vergleich. Eine systematische Literaturanalyse. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 23(06), 327-333.
** Burlingame, G. M., Strauss, B., & Joyce, A. (2013). Change mechanisms and effectiveness of small group treatments. Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change, 6, 640-689.
Melde dich für unseren Newsletter an, um über Neuigkeiten in unserem Blog und auf der Seite auf dem Laufenden zu bleiben