Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder, COO & Head Coach Life Orientation & Navigation
Häufig wird mir die Frage gestellt:
„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Coaching und Therapie?“
Für mich als Ärztin, Psychotherapeutin und seit vielen Jahren auch zertifiziertem systemischem Coach ist das sehr klar. Da es bei dem Thema aber durchaus Grau-Zonen gibt und die Indikationen für Coaches ohne medizinischen Hintergrund nicht leicht zu unterscheiden sind, habe ich das Thema als wichtigen Bestandteil in mein Curriculum zur Weiterbildung zum Systemischen Business Coach aufgenommen. Denn ein „Coach“ sollte, selbst dann, wenn sie oder er eine therapeutische Ausbildung hat, keinesfalls eine Therapie durchführen.
Warum eigentlich nicht?
Die Antwort finden wir in den Begriffen Regression und Progression.
Regression bedeutet, dass die betreffende Person auf frühere emotionale Entwicklungsstufen zurückfällt und frühere Verhaltensmuster reaktiviert werden.
Wir alle kennen das Anlehnungsbedürfnis, das sich bei einer Krankheit oder auch schon bei extremer Müdigkeit einstellt – wir möchten dann nur noch, dass jemand anderer alles für uns macht und wir gar nichts leisten müssen. Wir möchten dann einfach wieder Kind sein.
Die „Frau Doktor machen Sie mich gesund“-Haltung, die sich häufig beim Betreten einer Arzt-Praxis einstellt, ist auch eine Form davon.
In solchen alltäglichen Situationen der Hilflosigkeit, ist das ganz normal.
In einer Therapie sind es zumeist größere Probleme, die sogar zu einem teilweisen Verlust der Lebenstüchtigkeit führen können. Die betreffende Person muss dann zunächst vor allem aufgefangen und gehalten werden. Sie darf, so lange wie sie es braucht, in der Regression bleiben und wird, je nach Methode, sogar dazu angeregt, indem das Problem vertieft wird, so dass es betrachtet und betrauert werden kann. Zwischen Patient:in und Therapeut:in entsteht für die Zeit der Intervention ein Gefälle, bei dem sich die Patienten vertrauensvoll in eine gewisse Abhängigkeit begeben können. Das wiederum erfordert von Therapeut:in eine hohe Professionalität im Umgang mit dieser auf Zeit erteilten Verantwortung oder auch Macht.
Deshalb ist zum Beispiel absolute Abstinenz1 oberstes Gebot.
Progression hingegen bedeutet Weiterentwicklung und Voranschreiten.
Die betreffende Person sucht nach praktischen Lösungen und Handlungsoptionen, die möglichst sofort Anwendung finden können und neue wünschenswerte Ergebnisse bewirken.
Auch gutes Coaching befasst sich nicht nur mit dem, was du tust, sondern auch damit, wer du bist.
Unter anderem sind Selbstreflexion, Perspektivenwechsel und Überwindung von (alten) Glaubenssätzen methodische Bestandteile, aber Regression ist nicht das Heilmittel. Sie wird bestenfalls mit Einverständnis des Coachees kurz erzeugt, um besser zu verstehen, weshalb die eigene Perspektive so und nicht anders ist und welches – oft limitierendes - Verhalten dadurch getriggert wird.
Es geht dann zwar auch erst einmal darum, dass du einen solchen Glaubenssatz erkennst und anerkennst, möglicherweise auch betroffen davon bist, dass du durch diese Grundüberzeugung bisher geradezu fremdgesteuert warst, Ziel ist aber immer, dass du daraus neue Schlüsse ziehst und diese umsetzt.
Oberstes Gebot ist deshalb, dass dir dein Coach immer auf Augenhöhe begegnet. Du wirst nicht ‚behandelt‘, sondern handelst selbst.
Ein guter Coach spricht dich in deinem Erwachsenen-Ich an und legt seine/ihre Gedanken zu deiner Situation offen, so dass du entscheiden kannst, was passt und was nicht.
In einer Situation der Hilflosigkeit, in der großer Leidensdruck besteht, kann die betroffene Person jedoch nur schwer oder gar nicht Entscheidungen fällen und braucht erst einmal Zeit als Patient:in in einem therapeutischen Setting.
Wenn du dir also selbst die Frage beantworten willst, ob du eher Coachee oder Patient:in bist, dann gilt es erst einmal in dich hineinzuhorchen:
„Wie bedürftig bin ich?“ “Was brauche ich jetzt wirklich?“
Ich selbst war als junge Frau für eine gewisse Zeit Patientin in einer Psychotherapie-Praxis.
Ein Unglück in der Familie hatte mich aus der Bahn geworfen. Mit Hilfe meiner einfühlsamen Therapeutin fand ich nach einer Phase großer Niedergeschlagenheit zu meinen Stärken zurück.
Zwei Mal pro Woche habe ich anfänglich einfach nur geweint und es war dieser geschützte Raum, der es mir möglich machte, meinen Beruf als junge Ärztin trotz allem stabil auszuüben.
Ich bin heute noch dankbar für die Hilfe, die ich erfahren durfte.
Coaching - das es damals allerdings noch gar nicht gab – hätte mich in der akuten Situation völlig überfordert.
Möglicherweise hätte es mir aber nach einer gewissen Zeit geholfen, in Bezug auf berufliche Themen wie ‚Führung in einer Matrix-Struktur‘ (Ärztin / Pflegepersonal) oder ‚Positionierung in einem hierarchischen, (damals) männlich dominierten Umfeld‘ parallel ein Coaching In Anspruch zu nehmen.
Später, in meiner eigenen Ausbildung zur ärztlichen Psychotherapeutin, habe ich zum ersten Mal eine Mischung erlebt, wie sie im Coaching auch vorkommt:
Ich musste noch einmal eine Therapie in Anspruch nehmen, das war unvermeidlicher Bestandteil des Curriculums. Da ich nun aber bereits eine Therapie gemacht hatte und keinen Bedarf zur Regression hatte, sondern vor allem lernen wollte, konnte ich das, was ich in diesen neuerlichen Sitzungen erlebte, immer auch gleich auswerten. Ich betrachtete es von einer Meta-Ebene aus und konnte die Erkenntnisse schnell für meinen Lebensalltag verwerten.
Das bedeutet nicht, dass ich mich nicht berühren ließ oder gegen aufkommende Gefühle wehrte, vielmehr konnte ich immer schnell daraus auftauchen und mich fragen:
„Ok, was heißt das jetzt? Was will ich ändern, was ist vielleicht auch gut so, wie es ist und gehört einfach zu mir?“
Ich befand mich im Modus der Lösungsorientierung – auch wenn mein Therapeut, ein sehr guter Psychoanalytiker, da seiner Lehre entsprechend etwas skeptisch war.
Heute weiß ich, dass ich damals nur noch Progression brauchte, was tiefere Erkenntnisprozesse keinesfalls ausschließt.
Wir alle sind in unserem Leben unterwegs auf einem Weg zur vollen Entfaltung, der nicht gradlinig verläuft. Unser Lebensweg besteht nicht aus Etappen, die sich linear aneinanderreihen, sondern aus Abstechern und Umwegen, die von unseren inneren Anteilen bestimmt werden.
So kann ein junger Mensch zum Beispiel innerlich mit der Ablösung vom Elternhaus kämpfen und gleichzeitig hervorragende Leistungen im ersten Job leisten. Um sich in dieser Phase voll entfalten zu können, muss er oder sie sich erst einmal intensiver um die Lösung seines privaten Problems kümmern.
Möglicherweise braucht er dazu eine Therapie.
Genauso verhält es sich umgekehrt, wenn ein junger Mensch im Privatleben gerade richtig glücklich ist, sich im Beruf aber durch die Übernahme einer ersten Führungsposition, in der er sehr erfahrenen, deutlich älteren Kollegen vorgesetzt ist, verunsichert fühlt. Sie oder er sollte sich dann mit diesem Thema genauer auseinandersetzen, möglicherweise mit Hilfe eines Coaches, um die nächste Stufe der Entfaltung zu nehmen und wieder rundum glücklich zu sein.
Es ist also nicht so klar und es gibt viele Grauzonen, so könnten zum Beispiel die beiden oben geschilderten Szenarien auch vermischt sein:
Weil die Person es nicht schafft, sich von einem dominierenden Elternhaus zu lösen, sieht sie auch noch keine Lösungen im Umgang mit erfahreneren Mitarbeiter:innen.
Was ist dann? Was soll sie machen? Coaching oder Therapie?
Die Lösung liefert wieder die Antwort auf die Frage: „Wie bedürftig bin ich? Brauche ich zurzeit Regression oder kann ich auch Progression?“
Häufig kann man sich diese Frage aber nicht so einfach selbst beantworten. Sie kann aber im Vorgespräch mit einem Coach geklärt werden, der dann eine entsprechende Empfehlung gibt. Ein guter Coach wird den Unterschied erkennen und keine Therapie durchführen, denn damit verlässt er das Prinzip Augenhöhe.
Ich selbst bin Ärztin, Psychotherapeutin und zertifizierter Business Coach.
Seit inzwischen 27 Jahren bin ich nur noch als Coach und Lehr-Coach tätig. Therapien führe ich deshalb nicht mehr selbst durch.
Sollte das Anliegen, von dem ich im Vorgespräch erfahre, eher nach einem therapeutischen Ansatz verlangen, empfehle ich insgesamt erst einmal eine Therapie zu machen und nenne nach Möglichkeit auch Therapeuten, mit denen es gute Erfahrungen gibt.
Zeigt sich aber erst im Laufe eines Coachings ein Thema, das vielleicht verdrängt war und die aktuelle Lebenstüchtigkeit nicht einschränkt, aber doch die volle Entfaltung und das Glücksgefühl des Coachees behindert, so empfehle ich durchaus eine gleichzeitige Therapie zu diesem Thema bei jemand anderem.
Das funktioniert wunderbar – nur die Vermischung ist absolut tabu.
Übrigens gilt das in beide Richtungen, denn Therapeut:innen müssen sich immer bewusst machen, dass das Gefälle, das in diesem Setting zwischen ihnen und ihren Patient:innen besteht, deren freien Entscheidungswillen einschränkt. Jedes Wort von ihnen hat große Macht und eine Handlungsempfehlung, die ein Coach durchaus einmal aussprechen dürfte, wird womöglich unhinterfragt übernommen, auch wenn das für den anvertrauten Menschen nicht von Vorteil ist. Auch deshalb gilt die Abstinenzregel.
Psycho-Therapeut:innen behandeln psychisch-mentale Krankheiten.
Dazu gehören beispielsweise
Menschen mit diesen Krankheiten ist großer Leidensdruck und die eingeschränkte Fähigkeit, ihre Lebens-Situation allein zu bewältigen, gemeinsam.
Hier einige Therapie-Methoden im Überblick:
Psychotherapie ermöglicht Regression, arbeitet oft mit dem Unbewussten und findet regelmäßig, meist auch engmaschig statt. Therapien dauern oft länger, weil es außer dem Ziel der Genesung oder Rückgewinnung der Lebenstüchtigkeit keine umschriebene Zielvereinbarung gibt.
Der Beruf der Psychotherapeut:innen ist staatlich geschützt und basiert auf standardisierten, von Kammern zertifizierten Weiterbildungen.
Coaches arbeiten mit ihren Coachees an konkreten Fragestellungen und stärken dabei deren psychisch-mentale Fitness.
Anlässe sind beispielsweise
Die Liste lässt sich beliebig erweitern, denn Coaching kann in nahezu allen Bereichen des Lebens eine effektive Unterstützung sein.
Wichtigste Voraussetzungen, um ein Coaching in Betracht zu ziehen, sind eine psychische Stabilität („Lebenstüchtigkeit“), die Bereitschaft zur Reflexion und die Offenheit für Veränderung.
Methodisch ist auch Coaching durch unterschiedliche Schulen geprägt.
Ich selbst plädiere allerdings für einen Schulen-übergreifenden Ansatz, da jede Schule die Tendenz hat, zum Dogma zu werden und womöglich jeden Coachee da hineinzuzwängen.
Der Coach sollte meiner Meinung nach keiner Heilslehre anhängen, weil auch das schon in Richtung Entmündigung des Coachees gehen kann. Dadurch wird dann die Augenhöhe-Regel gebrochen.
Hier aber einige Vorgehensweisen, die im Coaching generell zur Anwendung kommen:
Coaching basiert auf der positiven Psychologie. Es fördert Progression, arbeitet überwiegend mit der Kognition und hat klar umschriebene Ziele und einen zu Beginn vereinbarten zeitlichen Umfang. Die Sitzungen finden in größerem Abstand statt und werden jedes Mal neu verabredet.
Die Berufsbezeichnung Coach ist nicht geschützt. Für überprüfbare Weiterbildungen sorgen die großen Verbände, indem sie diese zum einen selbst anbieten, zum anderen die Curricula von eigenständigen Lehr-Coaches zertifizieren.
Es ist daher sinnvoll, dass du bei der Wahl eines Coaches darauf achtest.
Menschen, die sich in schweren Situationen oder wegen wiederkehrender Probleme für eine Therapie entscheiden, habe ich immer mutig und letztendlich stark gefunden, weil sie sich ihrem Thema stellten.
Auch Coaching in einer Gruppe erfordert einen gewissen Mut, nämlich den, sich gegenüber anderen hinsichtlich eigener Fragestellungen und Schwierigkeiten zu outen.
Bei crimalin findest du deshalb nur erfahrene, zertifizierte Coaches. Sie sind empathisch und bringen viel Expertise mit. Du kannst deinem crimalin-Coach vertrauen und kannst sicher sein, dass du und deine Gruppen-Peers bei Ihr/ihm gut aufgehoben seid und du mit ihrer/seiner Hilfe deine eigene Lösung für dein persönliches Thema finden wirst.
1, Der Begriff „Abstinenz“ bedeutet, dass Therapeuten persönlich möglichst wenig von sich preisgeben und auch keine privaten Beziehungen mit ihren Patienten pflegen. Obwohl sie Empathie für ihre Patienten haben und diese sogar meist wirklich „mögen“, dürfen sie aufgrund des vorübergehenden Abhängigkeitsverhältnisses doch nicht direkt in deren Leben eingreifen. In der Phase der Regression würden Patienten sonst zu stark beeinflusst.
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